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Befreiung zum Leben
Rudolf Lütticken

Eine spirituelle Vision - Essays

Rudolf Lütticken: Die Sakramente vor und nach dem Konzil

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Rudolf Lütticken Ligia Lütticken

Wer Gott liebt, hat keine Religion außer Gott - Rumi

An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen - Mt 7,16

Was sagt ihr zu mir: Herr! Herr!, und tut nicht, was ich euch sage? - Lk 6,46

„Wir haben den Satz: »Die Menschen da abzuholen, wo sie stehen«, gelernt umzusetzen. Jetzt müssten wir noch den Umstand akzeptieren, dass immer mehr Menschen gar nicht dahin wollen, wo wir sie hinführen möchten, nämlich zur Mitfeier dieser Sakramente - Thomas Frings. Aus, Amen – Ende?

Solange ich vor der Angst fliehe, finde ich nicht den Weg ins Vertrauen

Solange ich angesichts des Unabänderlichen keine andere Alternative sehe als „"Biegen oder Brechen"“, unterliege ich dem Zwang. Wenn ich mich in Einsicht dem Unabänderlichen beuge, bin ich selbstbestimmt und frei.

Religiöse Überlieferung gründet auf Behauptung, authentische Spiritualität auf der Gabe der Unterscheidung.

An Jesus glauben heißt: alles Leben im Licht seiner Botschaft sehen.

Die Botschaft Jesu liegt nicht in der Bedeutung seiner Worte, sondern in ihrer Kraft.

Wer an Jesus glaubt, hält sich an ihm nicht fest: er weiß sich gehalten.

Die christliche Form der Erleuchtung ist die Gewissheit der Auferstehung







Konfessionsfreier Seelsorger, ehemaliger Benediktinermönch (1959-2015) und Priester


Die Sakramente
vor und nach dem Konzil

Erratisch wie Menhire stehen die sieben Sakramente im Raum, als feste Rituale in Rubriken streng umschrieben, in alltagsfremder Sprache und Gewandung ausgeführt; den ganzen Umgang damit scheint darauf gerichtet, sie aus dem fliessenden Strom des Lebens, aus seinem Wuchern und Wildern im Staub des Alltags abzuheben, als gälte es, sie im fernen Raum der Urzeit zu belassen, um sie von daher zeitlos über alle Folgezeit zu stellen, sodass sie über alle Zeit hinweg auf die ewige Vollendung verweisen.

Die drei Ebenen des sakramentalen Zeichens

Die traditionelle Dogmatik unterscheidet bei ihrer Betrachtung der Sakramente zwischen drei Ebenen: zwischen sacramentum, res sacramenti und res et sacramentum. Sie entspricht damit den verschiedenen Aspekten der sakramentalen Wirklichkeit, die in ihrer Unterschiedlichkeit im Blick und miteinander verbunden bleiben müssen, soll diese komplexe Wirklichkeit nicht in der einen oder anderen Weise verkürzt werden:

Sacramentum meint das äußere Zeichen so, wie es durch die liturgischen Rubriken in seinem rituellen Vollzug und durch die betreffenden Canones des Kirchenrechtes in seiner rechtlichen Geltung und Verbindlichkeit definiert und festgelegt ist.

Res sacramenti spricht die Sache an, um die es dem Sakrament eigentlich geht: die unsichtbare, innere Gnade, die in der Tiefe der Seele wirkt und auf die das äußere Zeichen verweist.

Res et sacramentum nimmt die mittlere Ebene in den Blick, auf der sich Äußeres und Inneres durchdringt. Der Empfänger des Sakramentes tritt hier in seinem Mitleben mit der Kirche in Erscheinung. Dieses Leben in und mit der Kirche wird

Kurz gesagt - im Hinblick auf die jeweilige Ebene der Zugehörigkeit zur Kirche -:

- sacramentum konstituiert die rechtlich- institutionelle Form der Kirchen-Mitgliedschaft,

- res sacramenti bezieht sich auf die Zugehörigkeit zur Kirche als der in der Tiefe der Seele verborgenen Gemeinschaft im Heiligen Geist,

- res et sacramentum fokussiert den Blick auf die daraus erwachsende Gestalt der aktiv gelebten Mitgliedschaft in und mit Kirche und Gemeinde.

Ex opere operato

Eine viel diskutierte Frage der traditionellen Dogmatik bezog sich darauf, inwieweit und auf welche Weise die innere Gnade - res sacramenti - des Sakramentes durch den gültigen Vollzug und Empfang des äußeren Zeichens bedingt sei. Sie betrachtete dabei das Sakrament in einen kausalen Zusammenhang: Sie stellte das äußere Zeichen als Werkzeug zwischen den Heiligen Geist als dem eigentlichen Verursacher und die innere Gnade als der von ihm ausgeübten Wirkung.

In dieser Sicht kam alles darauf an, dass durch den rechtlich gültigen Vollzug des vorgeschriebenen Ritus die dogmatisch definierte innere Wirkung zweifelsfrei zustande käme, - ex opere operato, d.h. einfach durch den objektiven Vollzug der Handlung, unabhängig von der subjektiven Beteiligung von Spender und Empfänger.

Wo das äußere Zeichen - sacramentum - gültig gespendet und empfangen worden ist, da besteht in dieser Sicht auch kein Zweifel an der dem Sakrament zugesprochenen inneren Wirkung - res sacramenti - wie auch am Zustandekommen des unauslöschlichen Merkmals - character indelebilis.

Für den gültigen Vollzug des Sakramentes ist es allerdings erforderlich, dass die rechtlichen Bedingungen zu seinem gültigen Vollzug nicht nur den allgemeinen Normen entsprechend, sondern auch in den konkret vorliegenden Umständen erfüllt sind, - dass etwa der Spender, wenn für den rechtlich erlaubten oder dogmatisch gültigen Vollzug vorgeschrieben, ein seinerseits gültig geweihter Priester ist, dass er vom Bischof die für den Vollzug dieser konkreten sakramentalen Handlung (z.B. die Lossprechung von einer bestimmten Sünde in der Beichte oder den Abschluss einer mit einem besonderen Hindernis belasteten Ehe) erforderliche Dispens oder Vollmacht erhalten hat.

In Ehrfurcht und Andacht beiwohnen

Belanglos ist es für diesen ursächlichen Zusammenhang zwischen äußerem Zeichen und innerer Gnade, welche liturgische Gestalt, welchen symbolischen Sinn das äussere Zeichen hat: ob ich die Kommunion etwa unter einer oder beiden Gestalten, also nur unter der des Brotes oder unter denen von Brot und Wein empfange, ob ich es in der gemeinsamen liturgischen Feier der Gemeinde tue oder ob sie mir außerhalb der liturgischen Feier als bereits konsekriertes Brot aus dem Tabernakel gereicht wird.

Den Gläubigen wurde beim Empfang des Sakramentes aus dieser Sicht eine rein passive Rolle zugewiesen. Durch Jahrhunderte wurden sie angehalten, der in lateinischer Liturgie-Sprache gehaltenen Zelebration und Ausspendung eines Sakramentes durch den zu diesem heiligen Dienst geweihten Priester in Ehrfurcht und Andacht beizuwohnen. Aufgrund der in der römisch - katholischen Kirche zweifelsfrei gültigen Spendung des Weihesakramentes lag alle sakramentale Vollmacht und Aktivität einer sakramentalen Handlung bei dem dazu beauftragten Träger des sakramentalen Amtes.

Umso mehr war es freilich das seelsorgliche Bestreben der vorkonziliaren Kirche gewesen, die lebensfremden, zeitlos gültigen Riten auf irgendeine Weise dennoch in das alltägliche Leben der Menschen einzubetten, indem man sie sozusagen in Formen des volkstümlichen, gemeindlichen, familiären Brauchtums, Feierns und Betens einrahmte und einkleidete, sodass sie bei all ihrer Fremdheit dennoch zu den von Kindheit an vertrauten Fixpunkten für die religiöse Prägung und Durchdringung des gesamten, damals noch intakten und in sich geschlossenen Lebensmilieus der Menschen wurden.

Gemeinsames Handeln der Gemeinde

Auf die eine oder andere Weise: in ihrem Sinn und Wesen geht es den Sakramenten darum, menschliches Leben so, wie es sich zwischen Geburt und Tod in seiner Vielgestalt, seinem Reichtum und seinen Nöten entfaltet, in seiner Tiefe zu berühren und zu durchleuchten, - da, wo es für uns Menschen unzugänglich und dunkel bleibt, wo sich in der Seele das undurchdringliche Wechselspiel zwischen göttlicher und menschlicher Freiheit, zwischen Sünde und Gnade vollzieht.

Das Konzil suchte Antwort auf die Frage, wie unter den heutigen Bedingungen die Brücke von den Sakramenten zum Leben der Menschen zu schlagen sei; es suchte u.a. der Tatsache zu entsprechen, dass unter den Bedingungen einer industriellen Gesellschaft eine homogene Prägung des Lebensmilieus auf die Dauer nicht länger aufrecht zu erhalten war.

Den Vorgaben des Konzils gemäss griff die nachkonziliare Kirche daher auf das Modell des ersten Jahrtausends zurück, indem sie die Brücke von den Sakramenten zu den Gläubigen nicht mehr wie bisher außerhalb der streng sakralen Grenzen der sakramentalen Handlung - sozusagen zusätzlich zu ihnen und im Nachhinein dazu - zu schlagen suchte. Man erkannte, dass der eigentliche Sinn der liturgischen Feier der Sakramente gerade darin lag, die sakramentale Handlung in ein gemeinsames Handeln der gläubigen Gemeinde zu integrieren.

Demgemäss wurde zunächst einmal diese Feier nicht mehr auf Latein, sondern in der für alle verständlichen Muttersprache gehalten und auf dieser Grundlage - mit grossem fachtheologischen Aufwand - dialogisch-kommunikativ, kerygmatisch, mystagogisch, gemeindlich-pastoral, homiletisch, katechetisch durchgestaltet - als Einladung an die Gläubigen zur aktiven Teilnahme - actuosa participatio - an ihrem Vollzug.

Grosse Hoffnungen und ungute Gleichschaltung

Damit eröffnete das Konzil eine - bis heute andauernde - Phase, in der für die Sakramentenpastoral das seelsorgliche Interesse primär nicht der Klärung und Durchsetzung verbindlicher Riten und rechtlicher Normen galt, sondern der Förderung und Entfaltung der aktiven Teilnahme und Mitgliedschaft der Gläubigen in den Gemeinden. Große Hoffnungen und viel Aufbruchstimmung waren nach dem Konzil mit den liturgischen Reformen, der biblisch-katechetischen Erneuerung, den ökumenischen Begegnungen auf allen Ebenen verbunden.

Was wir heute, nach vier Jahrzehnten, demgegenüber krisenhaft erleben, ist das Scheitern dieses nach dem Konzil unternommenen Versuchs, die Liturgie selbst für die Breite der traditionellen Pfarreien so attraktiv zu gestalten, dass sie die Gläubigen zu aktiven Gemeinden verbindet. Innerkirchlich lief diese Dynamik an immer härteren Abgrenzungen auf, sodass gerade Katholiken, die sich ihr mit ganzem Herzen verschrieben hatten, in ihrer Kirche keine Chancen der Erneuerung mehr sahen, sich zunehmend ausgegrenzt fühlten und schließlich die Konsequenz zogen, wenigstens der Institution der Kirche den Rücken zu kehren. Was die Bindekraft ihrer liturgisch-sakramentalen Riten und Feiern angeht, macht die Kirche heute daher trotz aller Bemühung um eine zeitgemäße Erneuerung eher die Erfahrung einer nicht aufzuhaltenden Auflösung.

Der versteckte Grund für dieses Stocken und innerkirchliche Auflaufen des anfangs von soviel Begeisterung mitgetragenen Neuaufbruchs wird mir greifbar in einer sprachlichen Gleichschaltung, wie sie sich bereits im Sprachgebrauch des Konzils immer wieder findet - etwa in Aussagen wie:

Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt ZEICHEN UND WERKZEUG für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit. - LG 1

Dieses UND verdeckt und harmonisiert - für mein Gefühl auf eine ungute und uneingestandene Weise - die tiefgreifende Unterschiedlichkeit der beiden in dieser Formel angesprochenen Betrachtungsweisen. In Wirklichkeit geht es im Wechsel von dem einen Paradigma zum andern um einen grundlegenden Wandel in der Sicht des Zusammenhangs zwischen innerer Gnade und äußerem Zeichen.

Die Sakramente als liturgische Feiern

Es gehörte zu den grundlegenden, Hoffnung stiftenden Zügen des Konzils, dass es durch die Betrachtung der Sakramente als „Zeichen“ auf kirchenamtlicher Ebene eine völlig neue Perspektive für ihre Entfaltung im kirchlichen Leben eröffnet hat. Erst wenn ich die Sakramente in der Weise, wie es die Konzilstexte ihrer eigentlichen Stoßrichtung nach tun, als Zeichen betrachte, ist die liturgische Gestalt, in der sie gefeiert werden, nicht mehr eine Angelegenheit im Grunde belanglosen, äußerlichen Dekors: sie ist die zu ihrem Wesenskern gehörende, mit allen Sinnen erfahrbare, freie und schöpferische Entfaltung ihres inneren Gehalts.

Hier ist dann auch keine rigide Aufteilung der Rollen zwischen aktivem Spender und passivem Empfänger mehr denkbar. Der Spender wird zum Leiter einer gemeinsamen Feier, er eröffnet den heiligen Raum, die heilige Zeit und ermächtigt so durch seinen Vorsitz die Gemeinde zu dem ihr und ihren einzelnen Gliedern aufgetragenen liturgischen Tun. Im diesem Zusammenhang Leitung und Vorsitz inne zu haben, nimmt der Gemeinde daher nichts von dem, was ihr zu tun aufgetragen ist, sondern befähigt sie dazu.

    Leiter: Der Herr sei mit euch!
          Gemeinde: Und mit Deinem Geist!
    Leiter: Erhebet die Herzen!
          Gemeinde: Wir haben sie beim HERRN!
    Leiter: Lasset uns danken dem HERRN, unserm Gott!
          Gemeinde: Das ist würdig und recht!

Nicht die ausschließenden Vorrechte des Diakons, Priesters oder Bischofs rücken bei dieser Sehweise in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit; vielmehr ist es die hier und jetzt im Miteinander der Gemeinde aufbrechende Dynamik des Heiligen Geistes, in der ER durch SEINE Gaben all ihre Glieder zu ihrem jeweiligen Auftrag befähigt. Leiturgia entsteht als ein gemeinsames schöpferisches Tun der Gemeinde, des Leiters wie all ihrer Glieder, in der Vollmacht des Heiligen Geistes. Durch IHN werden Raum und Zeit gewandelt zum Hier und Jetzt des Heils.

Auflösung - neuer Stoff auf altes Kleid

Viel ist aus dieser neuen, Hoffnung stiftenden Sehweise an erneuernden Impulsen hervorgegangen, von Vielen mit Begeisterung und großem persönlichen Engagement mitgetragen. Allerdings scheint mir die heute so spürbare und lähmende Enttäuschung dieser Hoffnung durch das Ausbleiben einer klaren Abgrenzung von der traditionellen Sicht der Sakramente als Werkzeug und Ursache bereits in den Konzilsdokumenten selbst vorprogrammiert.

Wie sähe die durch diese Sehweise freigesetzte Dynamik schöpferischer Erneuerung aus, hätte sie sich bereits auf dem Konzil klar von der traditionellen Sicht abkoppeln und sich konsequent und nachhaltig ihrer eigenen kreativen Stoßrichtung gemäß entfalten können? Was wäre, wenn die „alten Schläuche“ der rechtlichen Rahmenordnungen, die in nachkonziliarer Zeit dem „neuen Wein“ liturgischen Denkens als Gefäß seiner Aufbewahrung aufgenötigt wurden, durch ihm gemäße „neue Schläuche“ ersetzt worden wären - oder wenigstens heute ersetzt würden? Was geschehen ist, hat Jesus selbst im angesprochenen Gleichniswort seiner Gemeinde klar vorhergesagt:

Niemand setzt ein Stück neuen Stoff auf ein altes Kleid; denn der neue Stoff reißt doch wieder ab und es entsteht ein noch größerer Riss. Auch füllt man nicht neuen Wein in alte Schläuche. Sonst reißen die Schläuche, der Wein läuft aus und die Schläuche sind unbrauchbar. Neuen Wein füllt man in neue Schläuche, dann bleibt beides erhalten. - Mt 9:16f

Im Blick auf die Bemühungen, nach dem Hochkommen der Missbrauchsskandale durch landesweite oder diözesane Gesprächsprozesse und Synoden (Magdeburg, Trier) die verheerende Glaubwürdigkeitskrise der Kirche aufzufangen, bleibt das ungute Gefühl, dass sich an dieser Grundproblematik der Krise nichts geändert hat, ja, dass sie nirgendwo klar benannt worden ist: Sie wird vielmehr weiterhin mit im Grunde blauäugigen harmonisierenden Zukunftsvisionen verdrängt - und neue Enttäuschung und Verbitterung sind vorprogrammiert. Dies hat der damalige Generalvikar - der heutige Bischof von Limburg - der Trierer Synode zum Ausklang ihrer Arbeit - sozusagen zum Abschied aus seinem bisherigen Bistum - durch ein Aufsehen erregendes Statement ins Stammbuch geschrieben:

Da wird für mich das Dilemma unserer Situation deutlich. Menschen suchen verbindliche Gemeinschaft. Aber unter den prägenden Entwicklungen unserer Zeit sind sie nicht mehr in der Lage, sich selber zu binden, verbindlich in Gemeinschaft zu sein. Die Kirche wird sich unter den prägenden Bedingungen unserer Zeit, das ist meine Überzeugung, auflösen. So wie Kirchenbildung bisher geschah, wird es nicht mehr weiter gehen, löst sie sich auf. Unsere Alternative ist nur: neue Formen der Vergemeinschaftung und Kirchenbildung zu finden und zu stärken. Und in dieser Diskussion sind wir noch weit, weit zurück. Was das für uns heißt, haben wir noch nicht wirklich reflektiert.

Außerhalb der Kirche kein Heil

Im Blick auf die Sakramente ergab sich auf dem Konzil noch eine zweite, im Ansatz umwälzende Entwicklung, die eher an der Sicht der Sakramente als werkzeuglicher Ursache des Wirkens des Heiligen Geistes ansetzte.

Aus dem strikten, objektiv definierbaren Zusammenhang zwischen äußerer Ursache und innerer Wirkung ergab sich die Frage: Wie weit und in welchem Sinn ist das verborgene Wirken des Heiligen Geistes in Herz und Seele der Menschen an die - auf solch juridische Weise definierten - äußeren Zeichen der Sakramente gebunden? - Wie eng und wie ausschließlich hat ER, der Heilige Geist SELBST, in seiner göttlichen Souveränität sein inneres Wirken an den Seelen an die von ihm erwählten und von der Kirche verwalteten äußeren Zeichen binden wollen?

Durch Jahrhunderte hatte hier der von Augustinus zur Norm erhobene Grundsatz Geltung: "Außerhalb der Kirche kein Heil". Wer nicht durch das äußere Zeichen der Taufe der sichtbaren, rechtlich-sakramental verfassten Kirche angehörte, der hatte an der von diesem Sakrament vermittelten Gnade bzw. an dem Heil schaffenden Wirken des Heiligen Geistes keinen Teil. Daraus ergab sich ein überaus pessimistischer Blick auf die Situation der Menschen außerhalb der Kirche. Grundsätzlich waren damit ja nicht nur alle Nichtgetauften, sondern sogar alle nicht-katholischen Christen vom Heil ausgeschlossen.

Undurchdringliches Mysterium

Hier hat das Konzil eine epochale Wende vollzogen - nicht nur, mit der Öffnung für die innerchristliche Ökumene, im Blick auf die Getauften außerhalb der Grenzen der römisch-katholischen Kirche: Auch den Menschen ohne oder anderer Religionszugehörigkeit wurde nun weitherzig zugesprochen, dass sie auf ihren unterschiedlichen Wegen - außerhalb der sichtbaren, sakramentalen Ordnung der Kirche - unter dem Wirken des Heiligen Geistes das Heil erlangen können. Die Souveränität seines göttlichen Wirkens wurde nicht länger im Sinne seiner exklusiven Selbstbindung an die von ihm innerhalb der Kirche verwendeten Riten verstanden.

Fragt man, wie es zu dieser Deregulierung des kausalen Zusammenhangs zwischen sakramentalem Zeichen und innerer Gnade kommen konnte, so erkenne ich darin die Tragkraft von zwei unterschiedlichen theologischen Denkmodellen:

Es ist einmal die Polarität zwischen einer theologia positiva und einer theologia negativa. Ein orthodoxer Theologe brachte sie in einer ökumenischen Gesprächsrunde auf die prägnante Formel:

Aufgrund der positiven Kriterien für ein gültiges sakramentales Zeichen können wir positiv und mit Gewissheit sagen, wo oder wem die innere Gnade von Gott gewährt ist. Aber wir wissen aufgrund dieser Kriterien nicht, wo oder wem er sie nicht gewährt.

Hier gilt vielmehr die Grundaussage der theologia negativa, dass wir uns im Blick auf sein undurchdringliches Mysterium über Gott und das Wirken seiner Gnade nur in Verneinungen äußern können. Über das Wirken der Gnade außerhalb der sakramentalen Ordnung der Kirche wissen wir - jedenfalls aufgrund dieser Ordnung und ihrer Normen - schlechterdings nichts zur sagen. Wir können aufgrund dieser positiven Kriterien keinem absprechen, in der Gnade Gottes zu sein und durch sie zur Fülle des Heils zu gelangen.

Zeichen des Heils

Von einem anderen Denkmodell her hat sich dem Konzil jedoch eine noch positivere Perspektive erschlossen: nämlich aus der dargestellten, neuen Betrachtungsweise der Sakramente als Zeichen. Sicher sprach auch die traditionelle Dogmatik bereits von den Sakramenten als Zeichen, deren Besonderheit als sakramentaler Zeichen darin bestehe, dass es wirksame Zeichen seien, die enthalten und bewirken, was sie bezeichnen. Die Eindeutigkeit des kausalen Zusammenhanges zwischen äußerem Zeichen und innerer Gnade blieb bei dieser Lesart des Zeichens ungemindert.

Der Zusammenhang zwischen dem Sakrament als einem liturgischen Zeichen und dem Wirken des Heiligen Geistes, auf das es verweist, ist aber ein ganz anderer: Diese Zeichen sind nicht bewirkende Ursache, sondern erschliessender Hinweis. Sie weisen hin auf das, was Gottes Geist immer schon, von sich aus, vor aller kirchlichen Mitwirkung in den Gläubigen - wirkt. Sie laden ein, das von ihm in göttlicher Souveränität und Freiheit gewirkte Heil, über das die Kirche in keiner Weise verfügt, in der Freiheit, Einmütigkeit und Freude der Kinder Gottes zu feiern. Sie eröffnen unter dem bevollmächtigenden Vorsitz des dazu beauftragten Leiters den heiligen Zeit-Raum, das Hier und Jetzt, in dem das im Glauben Erfahrene als Lobpreis, Danksagung, als Klage und Bittruf in dieser Welt zu Wort und an den Tag kommen kann.

Eine solche gemeindliche Feier lässt die Welt, in der sie stattfindet, nicht im Dunkeln. Den Eltern, die ihr Kind zur Taufe bringen, kann der Spender des Sakramentes sagen, dass dieses Zeichen dem Kind die Gewissheit zuspreche, unverlierbar in der Liebe Gottes zu sein, - und zwar nicht erst aufgrund dieses Zeichens und seiner Wirkung, sondern immer schon und von Ewigkeit her, nicht anders als alle Menschenkinder dieser Erde. So ist das Neugetaufte nicht nur mit einer Gewissheit beschenkt, die unverlierbar sein eigenes Leben und Dasein betrifft, sondern zugleich mit einer Botschaft, die es in die Begegnung mit jedem anderen Menschen mitnimmt: Ich bin in der Liebe Gottes - und Du bist es nicht anders als ich.

Christus - Lumen Gentium

Hinsichtlich des Wirkens des heiligen Geistes außerhalb der sakramentalen Ordnung der Kirche bedeutet also die Sicht der Sakramente als Zeichen gegenüber ihrer Sicht als Werkzeug eine diametrale Umkehr. Nicht die sakramentale Ordnung der Kirche hat die Priorität gegenüber ihrer unsichtbaren Wirkung in den Seelen, - sei es juxta ordinem innerhalb der Kirche und ihrer Ordnung gemäß, sei es außerhalb der Kirche, sozusagen ausnahmsweise und an ihrer Ordnung vorbei, praeter ordinem. Vielmehr ist vor allem eigenen und über all unser eigenes Glauben und Begreifen hinaus

die Erde erfüllt von der Huld des Herrn - Psalm 32:5 -, das Land von der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist - Habakuk 2:14

Lumen Gentium

Christus ist das Licht der Völker. Darum ist es der dringende Wunsch dieser im Heiligen Geist versammelten Heiligen Synode, alle Menschen durch seine Herrlichkeit, die auf dem Antlitz der Kirche widerscheint, zu erleuchten, indem sie das Evangelium allen verkündet (vgl. Mk 16:15) Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit. - LG Nr. 1

Für den Ort der Kirche im Ganzen der Menschheitsfamilie ergibt sich heute aus dieser Neubestimmung des Verhältnisses zwischen sakramentalem Zeichen und innerer Gnade ein völlig neues Paradigma. Dieses Paradigma umschreibe ich an anderer Stelle mit der Metapher: Die Kirche als Gottes Volk - ein Schwarm.

Missbrauch des Namens Gottes

Aber nicht nur für die Nichtgetauften, auch für die Katholiken selbst ergibt sich daraus ein grundlegender Wandel. Die Frage, warum sie zur sichtbaren Institution der Kirche hinzugehören, ist auch für sie nun nicht mehr mit der Androhung des Ausschlusses vom Heil verbunden. Viele entdecken von daher für sich die innere Freiheit, auch zu ihrer eigenen Kirche in eine kritische Distanz zu treten.

Da sehen sie nun in deren äußerer, rechtlich-institutioneller Gestalt nicht länger eine über alle Kritik erhabene, göttliche Einrichtung, deren Heiligkeit auch durch die tiefsten Schatten historischer Schuld nicht in Frage gestellt werden kann oder darf. Sie erkennen die rechtlich-institutionelle Seite der römisch-katholische Kirche, wie Menschen sie durch die Jahrhunderte auf ihrer unzerstörbaren, göttlichen Grundlegung aufgebaut und weiterentwickelt haben, als Menschenwerk und Sache menschlicher Zuständigkeit und Verantwortung.

Alle die Formen, durch die die Kirche ihre rechtlich-institutionelle Seite - unter Berufung auf ihre grundlegende Heiligkeit - bis heute der menschlichen Kritik von innen wie von außen entzieht, erscheinen diesen Katholiken nun als ein Missbrauch des Namens Gottes und als struktureller Ausdruck eines jahrhundertealten Machtstrebens, das auf Unwahrheit und einer geradezu sakrilegischen Grenzüberschreitung beruht. Dieses Machtstreben widerspricht für sie auf eine im Grunde Ärgernis erregende und himmelschreiende Weise dem allgemein menschlichen wie insbesondere dem heutigen gesellschaftlichen Rechtsempfinden, vor allem aber auch der innersten Botschaft und dem Geist des Evangeliums.

Auf dem Weg der Wahrheit

Diese Menschen sehen daher nicht, wie eine solche Institution sie weiterhin im Gewissen in Anspruch nehmen und verpflichten kann. Im Gegenteil: Sie würden sich durch weitere, unkritische Toleranz und auch durch die großherzigste Bereitschaft zu aktiver Kooperation nur mitschuldig machen an dem Übel, das sie selbst kritisieren.

Wenn viele heute daraus für sich die Konsequenz ziehen, sich durch ihren Austritt dem Macht- und Geltungsbereich dieser Institution zu entziehen, ist dies für sie nicht Ausdruck ihrer Untreue gegenüber dem Ruf des Evangeliums, sondern gerade der Suche nach dem, worum es dieser Botschaft der Befreiung wirklich geht. Es ist - in Antwort auf die Herausforderung der Bergpredigt:

Euer JA sei ein Ja und Euer Nein ein Nein - Mt 5:37

Ausdruck ihrer Suche nach einem Leben in persönlicher Wahrhaftigkeit, Authentizität und Treue zu sich selbst und ihrer inneren Entschiedenheit, sich in der Tiefe ihres Herzens vom Heiligen Geist auf dem Weg der Wahrheit führen zu lassen.

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